Tollkirsche
Botanischer Name
Gewöhnliche Tollkirsche - Atropa belladonna L.
Familie
Nachtschattengewächse (Solanaceae)

Quelle: Danny Steven S., CC BY-SA 3.0

Quelle: Ragnar1904, CC BY-SA 4.0

Quelle Krzysztof Ziarnek, Kenraiz, CC BY-SA 4.0
Pflanzeninformation
Die Tollkirsche (Atropa belladonna) ist eine hochgiftige Pflanze, die in Europa heimisch ist und auch in Asien bis zum Himalaya und im mediterranen Afrika vorkommt. In Deutschland findet man sie vorwiegend im südlichen und mittleren Teil, während sie in Norddeutschland fehlt. Bevorzugt wächst die Tollkirsche in Laubwäldern, Waldschlägen und an Waldrändern.
Der Name „Tollkirsche“ rührt von den kirschähnlichen schwarzen, glänzenden Früchten her, die bei Verzehr schwerwiegende Vergiftungserscheinungen verursachen. Diese Symptome umfassen zunächst eine allgemeine Erregung, die sich zu starker Euphorie und Halluzinationen, aber auch zu Weinkrämpfen und starkem Bewegungsdrang bis hin zu Tobsuchtsanfällen steigern kann. Im schlimmsten Fall führt die Vergiftung durch Atemlähmung zum Tod. Der Gattungsname „Atropa“ bezieht sich auf Atropos, die griechische Schicksalsgöttin, die den Lebensfaden abschneidet, und betont die tödliche Wirkung der Pflanze. Das Artepitheton „belladonna“ (schöne Frau) nimmt auf die pupillenerweiternde Wirkung der in allen Pflanzenteilen enthaltenen Tropan-Alkaloide Bezug. Früher sollen Frauen sich den Beerensaft in die Augen geträufelt haben, um durch die vergrößerten Pupillen attraktiver zu erscheinen.
Die Tollkirsche ist mehrjährig und kann bis zu 1,5 Meter hoch werden. Sie hat stark ausladende Äste und bis zu 20 Zentimeter lange Blätter. Aus jeder Blattachsel wächst eine langstielige Blüte. Die glockenförmigen Blüten sind fünfzipflig, innen violettbraun und außen hellbraun. Die Frucht ist eine kirschgroße, schwarze und stark glänzende Beere, die von einem sternförmigen Kelch umgeben ist. Aufgrund ihres Aussehens und süßen Geschmacks sind die Beeren besonders für Kinder verlockend, was besonders gefährlich ist, da bereits 3 bis 4 Beeren für Kinder tödlich sein können. Die Blütezeit der Tollkirsche ist im Juni und Juli, während die Früchte im September reifen.
Aufgrund der hohen Giftigkeit ist es wichtig, die Tollkirsche zu erkennen und jeglichen Kontakt zu vermeiden, insbesondere das Essen der Früchte. Kinder sollten besonders vor den Gefahren der Tollkirsche gewarnt werden.
Die Schwarze Tollkirsche (Atropa belladonna) wurde im klassischen Altertum nicht eindeutig für medizinische Zwecke verwendet. In der älteren Volksmedizin sind hauptsächlich äußerliche Anwendungen belegt. Im Mittelalter stand vor allem die „unsinnig und tollmachende“ Wirkung der Pflanze im Fokus der Betrachtung. Hildegard von Bingen verband die Tollkirsche sogar mit dem Teufel und beschrieb ihre zerstörerische Wirkung auf den menschlichen Geist.
Erste detaillierte Beschreibungen von Vergiftungsfällen finden sich in Werken wie denen von Hieronymus Bock (1539) und Pietro Andrea Mattioli. Sie dokumentierten die Gefahren der inneren Anwendung der Tollkirsche. Hieronymus Bock und Conrad Gessner sahen Möglichkeiten für den Einsatz in der Veterinärmedizin.
Im 17. Jahrhundert ging John Ray in seiner Naturgeschichte der Pflanzen ausführlich auf die Anwendung der Tollkirsche in der Augenheilkunde ein. Der französische Arzt Étienne François Geoffroy führte eine chemische Analyse der Pflanze durch und fasste die bekannten Wirkungen zusammen, was zu Diskussionen über mögliche Anwendungen in der Humanmedizin führte.
Carl von Linné nahm die Tollkirsche 1749 in die Materia medica auf, was weitere Diskussionen über ihre medizinische Verwendung anregte. Besonders die entdeckte pupillenerweiternde Wirkung des Saftes der Tollkirsche führte dazu, dass sie in die Pharmakopöen der Augenheilkunde aufgenommen wurde und das Interesse an weiteren Forschungen verstärkte.
Ab 1771 wurde die Tollkirsche als offizinelle Pflanze in der Württemberger Pharmakopoe eingeführt. In Osteuropa fand sie Verwendung bei der Behandlung von Lähmungen und wurde auch als Abortivum eingesetzt.
Die Schwarze Tollkirsche ist heute ein wichtiger Wirkstoff in der Medizin, besonders aufgrund ihres Hauptalkaloids Atropin, das eine anticholinerge Wirkung besitzt. Diese Substanzen werden erfolgreich bei kolikartigen Schmerzen im Magen-Darm-Trakt und den Gallenwegen eingesetzt. Sie finden Anwendung bei spastischer Obstipation sowie Koliken der Magen-Darm-Trakts und der ableitenden Harnwege. In der Augenheilkunde wird die mydriatische Wirkung genutzt, um die Pupillen zu erweitern, jedoch nicht zur Diagnose, sondern als Therapeutikum wegen ihrer lang anhaltenden Wirkung.
In der Intensivmedizin dient Atropin als Gegenmittel bei Vergiftungen mit Acetylcholinesterasehemmern und wird auch vor Operationen eingesetzt, um die Sekretion von Speichel und Magensäure zu verringern.
Bestimmte Inhaltsstoffe der Tollkirschenwurzel werden zur Herstellung eines Medikaments gegen Parkinson verwendet, jedoch wurde dieses in Europa nicht zugelassen.
Jede Apotheke muss Atropin in injizierbarer Form als Antidot gegen Vergiftungen mit Phosphorsäureestern vorrätig halten.
In der Homöopathie wird die Schwarze Tollkirsche unter dem Namen Belladonna in verschiedenen Zubereitungsformen verwendet.
Im Volksglauben galt die Schwarze Tollkirsche als Zauberpflanze, der magische Kräfte zugeschrieben wurden. In verschiedenen Kulturen waren spezielle Rituale und Zeremonien im Umgang mit der Pflanze üblich. So wurde sie beispielsweise in osteuropäischen Traditionen für Liebeszauber genutzt, indem die Wurzel der Tollkirsche ausgegraben und Gaben für den Pflanzengeist hinterlassen wurden. Ein Trank aus der Wurzel wurde als aphrodisiakal betrachtet, und als Amulett getragen, sollte sie Zuneigung und Sympathie der Mitmenschen erlangen helfen. In Rumänien ist der Glaube verbreitet, dass die Tollkirsche im Garten der Sitz des Hausgeistes ist.
Die Schwarze Tollkirsche ist aber vorwiegend bekannt für ihre Verwendung in sogenannten Hexensalben, die laut Enrico Malizia von Hexen verwendet wurden, um Halluzinationen und das Gefühl des Fliegens oder der Verwandlung in Tiere zu induzieren. Diese Salben enthalten neben der Schwarzen Tollkirsche oft auch andere halluzinogene Pflanzenextrakte wie Bilsenkraut, Stechapfel und weitere Zutaten wie zermahlene Menschenknochen. Die halluzinogenen Wirkungen dieser Substanzen führten dazu, dass die Erfahrungen während des Schlafs so real erschienen, dass die Betroffenen an die Wirklichkeit ihrer Träume glaubten. Während der Hexenprozesse spielten solche Halluzinationen, erotische Träume und Wahnzustände, die durch die Inhaltsstoffe der Salben ausgelöst wurden, eine Rolle bei Geständnissen, die den Verdacht der Hexerei verstärkten.
Ein Beispiel für eine solche Flugsalbe enthält eine Mischung aus Wolfsbeere (Lycium barbarum), Taumel-Lolch (Lolium temulentum), Bilsenkraut, Wasserschierling, Schlafmohn, Alraune und Seerose, die unter anderem dazu verwendet wurde, die Vorstellung einer Flugreise hervorzurufen.
Historisch betrachtet wird die Schwarze Tollkirsche seit dem Klassischen Altertum in verschiedenen Schriften erwähnt. Die älteste gesicherte Erwähnung stammt von Theophrast, der sie beschrieb, jedoch möglicherweise mit Verwechslung mit Mandragora-Arten. Eine eindeutige Identifizierung erfolgte im 15. Jahrhundert in der Hortus sanitatis und später wurde sie wissenschaftlich von Carl von Linné als Atropa belladonna beschrieben. Die Schwarze Tollkirsche hat somit eine lange Geschichte der Verwendung sowohl in der Medizin als auch im Volksglauben, einschließlich ihrer Rolle in magischen und rituellen Praktiken.
Inhaltsstoffe der Droge
Belladonnablätter sind reich an stark wirkenden Tropan-Alkaloiden, die für ihre pharmakologischen Eigenschaften und ihre Giftigkeit bekannt sind. Hier sind die wichtigsten Tropan-Alkaloide aufgeführt, die in den Blättern der Schwarzen Tollkirsche (Belladonna) vorkommen:
L-Hyoscyamin: Dies ist eines der Hauptalkaloide der Belladonnablätter. Es wirkt als Antagonist von Acetylcholin an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren und hat eine ähnliche pharmakologische Wirkung wie Atropin.
Atropin: Atropin ist das Racemat von L-Hyoscyamin und das bekannteste Alkaloid der Belladonnablätter. Es blockiert ebenfalls die muskarinischen Acetylcholinrezeptoren und führt zu einer Hemmung der parasympathischen Aktivität im Körper.
Scopolamin: Dieses Alkaloid hat ähnliche Wirkungen wie Atropin und L-Hyoscyamin, jedoch ist seine Wirkung auf das Zentralnervensystem ausgeprägter. Scopolamin wird auch zur Prävention von Reisekrankheit eingesetzt.
Belladonnin: Ein weiteres Tropan-Alkaloid, das in Belladonnablättern vorkommt. Es trägt ebenfalls zur pharmakologischen Wirkung der Pflanze bei, insbesondere zur anticholinergen Aktivität.
Zusätzlich zu den Tropan-Alkaloiden enthalten Belladonnablätter auch andere sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide und Cumarine. Diese Stoffe können weitere biologische Aktivitäten haben, spielen aber im Vergleich zu den Tropan-Alkaloiden eine untergeordnete Rolle in Bezug auf die pharmakologischen Wirkungen der Pflanze.
Die Tropan-Alkaloide sind verantwortlich für die starken physiologischen Wirkungen der Schwarzen Tollkirsche und machen sie gleichzeitig zu einer sehr giftigen Pflanze, die sorgfältig dosiert und verwendet werden muss, insbesondere in der Medizin und in traditionellen Anwendungen.
Medizinische Anwendung
Anerkannte medizinische Anwendung
Belladonnablätter und Zubereitungen daraus wurden früher aufgrund ihrer Tropan-Alkaloide wie Hyoscyamin und Atropin bei Krämpfen und kolikartigen Schmerzen im Magen-Darmtrakt sowie der Gallenwege angewendet. Diese Anwendung wurde jedoch aufgrund der starken Giftwirkung der Tropan-Alkaloide eingestellt und wird nicht mehr empfohlen.
Die Tropan-Alkaloide in Belladonnablättern haben eine sehr geringe therapeutische Breite, was bedeutet, dass bereits geringe Mengen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Vergiftungen führen können. Aus diesem Grund ist die Verwendung von Belladonnablättern und isolierten Alkaloiden wie Hyoscyamin und Atropin in der Phytotherapie streng untersagt.
Die European Medicines Agency (EMA), das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) und die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) haben Belladonnablätter daher nicht als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Die Kommission E in Deutschland erstellte zwar 1985 noch eine Monographie, in der Belladonnablätter für Spasmen und kolikartige Schmerzen des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege empfohlen wurden, jedoch wurde diese Anwendung aufgrund der genannten Risiken nicht weiter verfolgt.
Traditionelle Anwendung
In der traditionellen Anwendungsgeschichte spielten Belladonnablätter aufgrund ihrer starken Wirkung eine Rolle, jedoch aufgrund der hohen Toxizität der enthaltenen Tropan-Alkaloide auch mit entsprechendem Risiko. Heutzutage werden Belladonnablätter ausschließlich für spezielle medizinische Anwendungen verwendet, die sorgfältig kontrolliert und dosiert werden müssen, wie etwa in der Augenheilkunde zur Pupillenerweiterung oder in der Intensivmedizin zur Behandlung von Vergiftungen.